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Kurvenschwingen in den französischen Hochalpen

Seit Jahren erzählen mir alte Freunde schon von dem Stress Press Treffen am Galibier, das am ersten September Wochenende statt findet. Die Woche nutzen sie immer, um ein wenig durch die Hochalpen zu wedeln. Da Roger keine Zeit hat, die Guzzi leistungsmäßig auf der Höhe ist und Urlaub auch möglich, schließe ich mich dieses Mal an. Treffpunkt ist am ersten Samstag im September in der französischen Jura auf dem Campingplatz von St. Claude. Auch Ludwig auf der 1200er Bandit reist auf eigenem Gummis an, die beiden Gummikuhfahrer Thomas und Hubsi nehmen für die lange Anfahrt den Hänger.

PauseDas Wetter ist extrem, extrem heiß. Im Rheintal glühen 34°C, aber dank dem großen Ölkühler bleiben die Öltemperaturen bei mir unter 100°C. Der große Kühler bringt schon was. Ich habe für die lange Strecke erst einmal die großen Nationalstraße von fast 600km n im Rheintal gewählt, um nachher mehr Zeit ab Montbeliard zu haben. Frankreich begrüßt und begleitet mich inzwischen die ganze Strecke mit großen Plakatschildern, daß jederzeit Radarkontrollen möglich sind. Außer den fest installierten gibt es auch die Anhänger-Gürteltiere. Frankreich hat sich verändert. Also Augen auf und trotzdem mit einem flüssigen Stil versuchen maximalen Spaß heraus zu fahren. Das ist auf den kleinen Landstraßen über Pontarlier bis nach St. Claude leicht. Gegen 18:00 komme ich nach 620km in St. Claude an und werde schon vom Team mit einem Bier erwartet. Der Abend wird mit Pizza vom Stand am Eingang beendet. Ich erkenne den Campingplatz als den, den wir 2012 auch schon mal angesteuert hatten, wieder.

NebelfahrtBlick ins Isere TalDie Pizza arbeitet noch lange in der Nacht nach, sie war sehr fett belegt. Am Sonntag Morgen überlegt Thomas noch, ob und wie ernst die Vorschrift mit dem gelben Bereichen der Kleidung zu nehmen ist, die in Frankreich inzwischen gilt. Er fährt erst einmal mit Flatterweste Richtung Süden los. Es ist morgens sonnig, geht aber leider bald ins Bedeckte über. So bleibt es auch über Tag. Wir fahren Richtung Süden an Bellegarde vorbei über kleinste Straßen. Der Autor besteht auf ein paar Paßfotos am Col de l'epine und Col de porte, wo Thomas Regensachen anzieht, weil es etwas tröpfelt. Als es kurz danach aufhört, können wir die goldene Regel, daß nach Anziehen von Regenzeug es immer besser wird, erweitern auf den Zusatz, daß es auch reicht, wenn einer Regenzeug anzieht. An Grenoble arbeiten wir uns vorbei und fahren nach Volltanken bis zu unserem Tagesziel dem Camping Municipal in Chapelle en Vercours. Der nette Campingplatz ist direkt am Ort gelegen. Mit den Resten auf Baguette und Wein genießen wir den milden Abend dank des bedeckten Himmels.

Morgens wabern an den umliegenden Hängen die Nebelschwaden, und wir lassen uns Zeit. Thomas optimiert die Einstellung der neu einbauten YSS Federbeine bevor es in den Nebel los geht. Die  Fahrwerksqualitäten seiner Kuh haben durch die neuen Federbeine, die jetzt auch noch eingestellt sind, deutlich gewonnen. Warnweste ist doch nicht so notwendig, fährt kein Mensch mit herum, stellt Thomas fest und hat sie gleich am Campingplatz gelassen. Fahrspaß ist auf nassen Straßen im Nebel relativ begrenzt, aber mit der Zeit klart es ein wenig auf, und wir haben bei einer Pause noch einen schönen Blick in das Isere Tal. In Lans le Vercour gibt es noch Crepes und Cafe, bevor wir bei Netto für das Abendessen einkaufen. Ludwig hat ein Rezept für Coq au vin im Kopf, daß er unbedingt uns kredenzen will. Es wird lecker.

Der Sonne entgegenTunnelblickEndlich mal ein Morgen, an dem einfach strahlend die Sonne scheint. Wir packen alles trocken ein und starten mittags gen Süden. Auf kleinen Straßen geht über den Col de Rousset, den Col de Grimone und durch den engen Gorge des Gats. Die Streckenführung von Ludwig ist wie immer herausfordernd und schön. Leider müssen wir durch Gap, wo die heiße Sonne uns gut durch wärmt. Kurz danach machen wir an einem Rastplatz eine Rast mit Baguette und Cervelat Wurst und sammeln neue Kräfte, bevor es danach östlich des Lac Serre-Poncon wieder in Berge zum Abkühlen geht. Der Col d'Allos ist nächstes Etappenziel. Auf der anderthalb spurigen Straße lauern ab und zu verwirrte Wohnmobil Fahrer, die nicht wissen, was sie sich und allen anderen antun. Oben auf dem Paß ist alles vergessen, der Ausblick ist geil, die Massen an Grillen zirpen und die Sonne scheint. An Colmars geht es vorbei bis zum Abzweig auf die D908, wo wir noch mal uns zusammen reißen müssen, um fehlerfrei über den Pass des heiligen Michels zu kommen. Abgekämpft erreichen wir nach 300km auf dem Campingplatz in Annot und nach einem Bier gegen die Dehydrierung kaufen wir im nahen Supermarkt ein. Heute gibt es Bac á legumes avec de fromage de brebis, bei deutschen Banausen auch gerne als Gemüsepfanne bezeichnet. Thomas gibt hier alles, fast zu viel, wir kämpfen mit den Mengen an Essen, gewinnen aber am Ende.

Col d'AllosThomas fiel gestern ein unsauberes Ansprechverhalten seines Klassikers auf und das arbeitete er nachts so auf, daß er morgens noch vor dem Frühstück seine Vergaser zerlegt und dabei einen Montagefehler entdeckt, mit dem er schon Jahre herum gefahren ist. Beruhigt können wir dann alle frühstücken. Es fällt die Entscheidung, daß meine Mitfahrer am Freitag zum Galibier Treffen fahren wollen. Da muß ich mich parallel auf den Weg Richtung Heimat machen. Heute ist Mittwoch, also haben wir noch zwei Tage für vergnügliche Runden. Hubsi will aber unbedingt noch wissen, wer der Mörder in seinem Krimi ist, so fahren Thomas und ich unter der Leitung von Ludwig alleine los. Über den Michel geht es mit einer kurzen Café Pause in Colmars über die D2/78 hinüber zum Col de la Cayolle, wo wir aber nur einmal hoch fahren und dann über die Gorge Daluis wieder zum Campingplatz fahren. Im Gorge mache ich noch mehrere Foto Stops, um die rötlichen Felsen im Abendlicht aufzunehmen. Die beiden anderen kaufen derweil ein für Ratatouille avec legume et Merguez. Sehr lecker, auch der Wein ist heute eine gute Wahl. Es ist immer noch sehr angenehm warm, auch wenn die Temperaturen an den 30° kratzen.

Gorge DaluisLetzter Tag, wo wir uns einfach treiben lassen können. Hubsi baut an seiner R1100RS die Scheibe ab, die er für Windgeräusche verantwortlich macht und plötzlich sieht die Kuh aus wie eine der ersten Multistradas. Aber es soll helfen. Erst mittags geht es Richtung Castellane, allerdings mit einem kleinen Umweg über die C2 und die D102 (dafür gibt es aber auch seltenst Pausen). Der erste Teil ist ausgebaut wie eine Rennstrecke, danach wird es enger, aber bietet immer wieder fantastische Ausblicke auf den weit unten liegenden Verdun mit seinem türkis-farbenden Wasser. Nach dem Tanken in Castellane fahren wir nach Westen und machen am Hochtal bei Caille eine Kaffeepause. Danach wird es allerdings ein wenig anstrengender. Die D17/10 sind teilweise einspurig, teilweise schottrig und verlangen ganze Aufmerksamkeit. Dafür kommen wir zum Schluß aus den Bergen Richtung Entrevaux hinunter und bekommen so einen Ausblick auf die Burg, wie man sie aus dem Tal nicht hat. Für unser heutiges Kochvorhaben müssen wir ein wenig nach Leber suchen. Aber zum Schluß sind wir doch erfolgreich und es wird Foie de lapin avec de mouse au pommes de terre et compote de pommes gereicht. Dazu der bewährte Wein von gestern, und der Tag findet nach 200km ein Ende. Allerdings merken wir einen Wetterumschwung, es wird abends etwas kühler.

VerdunDas merkt man auch morgens, es ist nicht mehr strahlend blau und die Zelte brauchen ein wenig abzutrocknen. Ich mache mich zügiger als die anderen auf, weil ich die 1000km bis nach Hause in zwei Tagen auf Landstraßen hinter mich bringen will. Ich fahre zwar ohne Goretex Futter los, korrigiere aber bald den Fehler. Es sind 15°C und der Wind macht es noch frischer. An Digne und Sisteron vorbei folge ich der D1075. Das ist mehr oder weniger ereignislos, nur das Tempolimit auf 80km/h begrenzt den normalen Verkehrsfluß. Am Col de la Croix-Haute habe ich auch noch ein Zwangspause. Ein Motorradfahrer ist gestürzt und erfordert auch den Rettungshubschrauber. An Grenoble vorbei nehme ich die Autobahn, danach geht es durch bis Besancon, wo ich gegen 18:30 im Formule 1 nach 550km ankomme. Mit der Bahn fahre ich in die Stadt, weil es in Micropolis nichts zu essen gibt, und esse in der belebten Innenstadt thailändisch. Am Samstag ist der Rest nur noch ein Katzensprung. Belfort, Colmar und das Rheintal hoch, die ganze Zeit mit skeptischem Blick auf das Wetter, daß mit grauen Wolken vor baldigem Regen warnt. Aber ich kann noch in Seltz einkaufen und muß erst danach für die letzten 100km Regenzeug anziehen. Zu Hause machen wir mit Käse und Rotwein einen französischen Imbiss nach dem ganzen Selbst-Kochen "wie bei Muttern".

Zu Hause bekomme ich mit, daß das Treffen am Galli mangels Masse nicht statt fand und anderen auch unten im Tal übernachtet haben. Ihr Heimweg war noch ein wenig schlechter als meiner, auf jeden Fall Ludwigs. Ich war aber auch froh nach dem 2-Tages Ritt zu Hause zu sein. Schön war es trotzdem, ich habe es mal genossen einfach nur hinterher zu fahren und mich auch noch anstrengen zu müssen. Insgesamt bin ich 2.700km gefahren. Guzzi lief gut, hat 4,7l verbraucht, Ölverbrauch hat sich inzwischen auf irgendwas bei 0,2l/1000km eingependelt. Vor dem Urlaub habe ich noch kurzfristig einen neuen Satz Contis aufziehen lassen, die bewährten Classic Attack vom letzten Mal. Der neue Schubert C4Pro hat sich ebenfalls bewährt, er drückt nicht, ist leiser und läßt sich im Gegensatz zu dem HJC gezielt belüften.

E. Thane
September 2019